|

Louisa Gravel I

Grenzerfahrungen im Achterhoek

Am Sonntag, 21.11.2021, hieß es für den RSG wieder „klimp op de fiets“. De Jongens trafen sich mit Louisa im Achterhoek, um das dortige „Mountainbike Mekka“ der Niederlande per MTB & Gravel Bikes zu erfahren. Die rund 50 km um Winterswijk waren durch die traumhafte Indian Summer Kulisse und den kulturellen Mondriaan Einschlag geprägt. Für männliches Testosteron sorgten vor allem die grünen Routen abseits der regulären Streckenführung, welche sogar gleich mehrfach mit Kommentaren wie „leuk“ und „sehr geiler Trail“ befahren wurden.

Die abwechslungsreiche Tour auf unterschiedlichsten Bodenbelägen vorbei an plätschernden Bächen, Wiesen, Wäldern und sonderbarsten Tierwesen (Giraffen oder doch Kühe?) entlockte den Radsportlern doch mehrfach ein breites matschiges Grinsen.

Den Abschluss der herbstlichen Ausfahrt krönten die typisch niederländischen kulinarischen Highlights der wohl besten Frittenschmiede: Patat Mayo, Frikandel Speciaal, Kipcorn & Kaassouflé. Beim nächsten Mal sind ganz bestimmt auch – neben den covid bedingten Nachweisen – Patat Oorlog oder sogar Local Legend Ijs vorzuweisen. Jongens, het was weer heel leuk!

Kaum vom Parkplatz gefahren geht es direkt auf dem größten Kettenblatt in einen heftigen Anstieg. Die Traktion auf dem Untergrund aus feuchten, flachen Felsen und Schotter ist grenzwertig und das, obwohl ich das Vorderrad mit grobstolligen 2,6 ‘‘Magic Mary bestückt habe. Wir pedalieren erstaunlich lange den ersten Berg hinauf. Die Steigung ist nach dem ersten steinigen Teil gerade so, dass ich sie noch als „nicht unangenehm“ kategorisiere konnte. Aber auch nur, weil ich noch nicht weiß, was im Laufe des Tages so kommen wird!

Kaum oben angekommen, geht es dann in einen ersten, schweren Trail, der steil hinab ins dunkle Tal des Ninglinspo führt. Nach einem ersten Vorgeschmack, bei dem Frank, Robert und ich Schwierigkeiten hatten den Trail-Verlauf zu folgen, geht es weiter einen Forstweg entlang.

An einer unscheinbaren Lichtung angekommen fragt Marco, ob wir jetzt lieber Schwarz, Rot oder Blau fahren wollen, und zeigt auf zwei Schilder – wir sind mitten im Trailcenter von Remouchamps!

Es gibt viele dieser Art in Belgien und es werden immer mehr. Der Grund ist Corona. Während der Bike-Boom in Deutschland in der Pandemie flächendeckend zu Trail-Sperrungen und -zerstörungen führte, haben unsere Nachbarn den Bedarf erkannt und sehr viele der vorhandenen Trails legalisiert und in ein beschildertes Wegenetz überführt.

Nach dem Einstieg geht es unmittelbar in einen steinigen Trail durch einen Tannenwald, über Wurzeln, Absätze, kleine Sprünge in Serpentinen auf einem anspruchsvollen Gefälle um die Bäume auf einen steilen Kurs bergab. Unten angekommen müssen wir ungewöhnlich lange auf Frank waren. Leider hatte es ihn geschmissen. Frank ist Gott sei dank nichts passiert, nur den Schalthebel hat es übel erwischt und ist abgerissen. Wie gut das MacGyver Marco in seinem Rucksack einen Kabelbinder dabei hat mit dem er den Griff notdürftig reparieren kann, sonst wäre schon bei der zweiten Abfahrt der Spaß vorbei gewesen.

Mit breitem Grinsen haken wir nach dem blauen dann auch den roten Trail ab, bis die Wade Gnade fleht. Shuttle oder Lifte gibt es im Trailcenter nämlich nicht, die Uphills und Transfers sind zwar nicht lang, jedoch steil und kräftezehrend. Endlich wieder oben angekommen ließ sich Marco direkt umfallen nach dem kräftezehrenden Aufstieg. Erst nach einigen Minuten liegen und dem Verzehr eines Riegels kehrt wieder Leben in Marcos Gesicht zurück. Auch Frank sah nicht viel besser aus.

Doch nach 10 Minuten Pause war die Sehnsucht nach der nächsten Abfahrt größer als die Erschöpfung. Ganz wagemutig nahmen Marco, Robert und Micha dieses Mal den schwarzen Trail, auf dem neben einem ordentlichen Drop auch einige Spitzkehren auf die drei warteten.

Bereits Ende der 1990er führten die Belgier eine Downhill-Rennserie durch. Die kurzen, aber kompromisslosen Strecken waren seinerzeit derart technisch, dass die wenigen deutschen Piloten, die sich in das Königreich verirrten, oft gnadenlos überfordert waren. Die Endläufe der jeweiligen Rennen liefen sogar live im TV – Belgien ist einfach eine Fahrradnation!

Zum Abschluss wollen wir einen weiteren Teil des Trail Center De l’Amblève erkunden. Die Transfer-Stecke hatte es aber in sich. Steile nicht enden wollende Anstiege hatten wir schon kennen gelernt, doch nachdem wir ordentlich aufgestiegen sind, ging es rechts in einen kleinen versteckten Trail, der uns immer wieder zum Absteigen zwang, weil das Vorderrad an einem Fels oder einer Wurzelpassage hängen blieb. Nach einem Abschnitt wo der Puls durch die Steilheit an seine Grenzen getrieben wurde, war dann mit Fahren Schluss. Der Pfad war so steil, dass wir uns nur noch an Bäumen hochziehen konnte. Das Rad, dass ja auch irgendwie mitmusste, erschwerte den Aufstieg zusätzlich. Oben angekommen wurden wir mit einer schönen Aussichtsplattform mit Blick auf die Ardennen belohnt.

Die Ardennen sind der Westteil des Rheinischen Schiefergebirges. Das mit der Eifel zusammenhängende, 11 200 km² große Mittelgebirge erstreckt sich größtenteils über den Südosten der belgischen Region Wallonie. Im Osten gehen die Ardennen ohne deutlichen geologischen „Cut“ in die Eifel über, abgrenzend ist vielmehr die innerbelgische deutsch-französische Sprachgrenze. Das Hohe Venn kann beiden Gebirgen zugerechnet werden. Höchste Erhebung ist die Botrange in der Provinz Lüttich mit 694 Metern.

Fast 300, sehr steile Höhenmeter später wechselt der Trails von Stein auf Waldboden und nur noch Steil. 35% Gefälle, die Micha mit seinen 2,35“ Reifen nur noch rutschend bewältigen konnte. Die Kurven zu bekommen war halb Können, halb Glücksache.

Am Ende waren wir alle nur froh nach dieser Abfahrt wieder normale Straße unter den Rädern zu haben und rollten gemütlich Richtung Auto, wo wir mit alkoholfreien Sportlerbier auf unseren gelungenen Abenteuer-Ausflug anstießen.

In einem Punkt blieb die Fahrt jedoch unvollendet. Aufgrund des Feiertags oder und der Uhrzeit gab es weit und breit keine offene Frietjes Bude. Wie schade! Aber wir kommen wieder…